Achtung ansteckend!

Wie man sich gegen Behördensprech impft.
Und warum ein kleiner Bruder dabei helfen kann.


Was bringt eigentlich einen jungen Radiokollegen dazu in einem Beitrag über Jugendfeuerwehren zu sagen:

Die Mitgliedszahlen sind gesunken. Das hängt vor allem mit den steigenden schulischen Anforderungen zusammen.
(…)
Die Jugendfeuerwehr möchte in den kommenden Jahren das Eintrittsalter von bisher 10 Jahre auf möglicherweise sogar 6 Jahre senken. Grund ist, dass viele Kinder sonst bereits andere Aktivitäten ausüben.
(…)
Eine Herausforderung war auch der inhaltliche Wandel der Jugendfeuerwehr in den letzten Jahrzehnten: weg von der vor allem technisch geprägten Ausbildung, hin zu einer vielseitig orientierten Jugendgruppe.

Die Antwort: Er hatte sich angesteckt. Mit einem ganz fiesen Virus: Dem Behördensprech. Der befällt jeden, der allzu sorglos mit anderen Infizierten in Kontakt kommt. In diesem Fall waren das der Landesjugendleiter, der Kommandant, die Feuerwehr-Betreuer vor Ort. Denn die waren (wie viele andere) „chronische Behördensprecher“. Ganz einfach, weil sie in genau dieser Sprache täglich Formulare ausfüllen oder Tätigkeitesberichte und Einsatzprotokolle schreiben müssen. Irgendwann SPRICHT man dann auch so. Aber „normal“ ist das nicht. Denn kein Mensch würde das so seinem kleinen Bruder erzählen. Dem würde man vermutlich eher erklären:

Bei der freiwilligen Feuerwehr machen kaum noch junge Leute mit. Vermutlich fehlt’s an der Zeit. Schließlich haben sie schon in der Schule wahnsinnig viel um die Ohren.
(…)
Bislang konnte man mit zehn bei der Jungfeuerwehr einsteigen. Doch künftig will man vielleicht sogar schon Sechsjährige aufnehmen. Rechtzeitig also, bevor sie schon im Sport- oder Musikverein verpflichtet sind.
(…)
Die Jugendfeuerwehr musste sich über die Jahre sehr verändern. Früher ging es vor allem ums Löschen und Retten, um die richtige Technik beim Einsatz. Heute ist die Jugendfeuerwehr dagegen auch ein Freizeitclub, der ins Zeltlager und gemeinsam feiern geht.

Genau so sollte es auch im Radio klingen: Einfach. Geradlinig. Mit Begriffen, die aus der Alltagssprache kommen und so konkret wie möglich beschreiben, was gemeint ist.

Um das zu lernen, muss man sich selbst impfen. Man muss sich zwingen, seine eigenen Sätze im Manuskript zu hinterfragen:

  • Würde ich das so meinem kleinen Bruder/meiner Oma/meinen Nachbarn/meinem Kumpel erklären?
  • Weiß ich selber eigentlich, was ich mit diesem Satz meine oder habe ich nur ein abstraktes Schlagwort benutzt?
  • Gibt es für das, was ich sagen will ein Beispiel, das klarer bechreibt, worum es geht?

Und weil dieses Hinterfragen der eigenen Sprache irgendwann Routine werden soll, ist es hilfreich anfangs JEDEN Text nochmal so zu durchforsten. Dazu empfehle ich ein paar Stichworte am Ende der Manuskriptvorlage. Dort könnte man sich notieren:

  • Versteht das mein kleiner Bruder?
  • Verstehe ich es?
  • Was könnte ich sagen, wenn mich jemand nach Details fragt?
  • Wüsste ich Beispiele? Wo lassen sich noch welche einbauen?

Der schöne Nebeneffekt: Wer sich eine Weile lang auf die Art gegen den Behördensprech im eigenen Manuskript wehrt, wird irgendwann auch direkt vor Ort bei den Interviews merken, wanns „behördlich“ wird. Als Reporter kann man dann genauer nachfragen und den eigentlich Kern einer Sache besser verstehen als es die abstrakten Begriffe immer vorgaukeln.

Wohl dem also, der einen kleinen Bruder im Geiste hat. Und: Impft Euch!

Foto von Libertinus: ″Du″
Some rights reserved. Quelle: http://www.flickr.com

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