Englischsprachige Kollegen zeigen, wie Radio im Netz sichtbar wird.
Es ist und bleibt ein Problem: Das Internet hat keine Zuhörer. Meistens jedenfalls. Denn Audio allein ist im Netz ein Rohrkrepierer. Geklickt werden Texte, Bilder, Videos, nicht Radiobeiträge.
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Das Internet bietet zu viele Ablenkungen. „Zuhören, ohne zu wissen, wohin man den Blick richten soll, fällt vielen Usern schwer.“ – Ein Satz, den ich schon vor einem Jahr geschrieben habe. Damals verbunden mit einem Plädoyer für mehr Audio-Slide-Shows.
Doch es geht noch mehr.
Wie wär’s zum Beispiel mit animierten Interviews? Eine Methode, die man bei „Blank on Blank“ bewundern kann, einem US-amerikanischen Nonprofit-Projekt, das alte Interviews zeichnerisch ins Bild setzt – zum Beispiel diese Aufnahme mit den Beastie Boys:
Ganz ähnlich: Die animierten O-Ton-Portraits bei „Storycorps„, einem an sich schon wundervollen Radioprojekt aus den USA. Storycorps hat sich nämlich den Lebensgeschichten einfacher Amerikaner verschrieben. Mit einem Aufnahme-Bus touren die Macher dafür durchs Land und lassen sich darin erzählen, was Menschen geprägt, bewegt, verändert hat. Tausende solcher Geschichten haben sie so über die Jahre schon gesammelt. Jetzt haben sie einige davon animiert – mit unglaublicher Wirkung, wie ich finde:
Denn dieses Format klingt so intim und authentisch wie eben nur Radio klingen kann. Es wirkt aber so magnetisch und zwingend attraktiv wie nur ein Video das kann.
Ebenfalls faszinierend: Das sprechende Bild. Ihm sind die O-Töne quasi eingebaut. Als einfache „Druckpunkte“, die auf Klick erzählte Einzelheiten zu dem Bild liefern. Radiokollegin Amy Costello hat auf die Art zum Beispiel eine Radioreportage über freiwillige, medizinische Helfer in Haiti ins Netz verlängert:
Gemacht ist das übrigens schnell und einfach. Dank ThingLink, einem Service, mit dem sich beliebig viele Links auf Bilder legen lassen – zu anderen Seiten, anderen Bildern, aber eben auch zu Musik, Atmo, Interview- und Reportageteilen. Ideal also, um gute O-Töne noch mal mit aussagekräftigen Standbildern zu verknüpfen und Hörern im Netz einen „Blick-Anker“ zu geben. Bislang leider von Radiomachern kaum genutzt.
Aufwändig, aber für herausragende einzelne O-Töne schön: Animierte Schrift.
Zugegeben: Das ausgewählte Beispiel ist grenzwertig. Es zeigt, wie schnell verspielte Animation und übermäßige Geschwindigkeit das Gesagte überlagern und damit weg führen vom Audio. Weg vom intensiven Zuhören. Dennoch scheint es mir eine schöne Möglichkeit, um einzelne starke O-Töne oder Interviewpassagen als Blick(und Hör)fang ins Netz zu bringen.
Und nicht zuletzt sollten wir Radiomacher vermutlich lernen, wie man animierte Infografiken macht. Denn dieses Beispiel beweist: Wenn man gutes, radiophones Erzählen und Erklären verbindet mit ausdrucksstarken Grafiken, dann ist das besser als jedes Fernsehen.
Also: Zeig Dich, Radio!
Mein Tipp: Walt Disney fürs Radio
Auch Comic Casts lassen Radio im Netz sichtbar werden
Videos sind fürs Emotionale da, Audio-Podcasts hingegen für die Wissensvermittlung. So lautet einer der viel zitierten Glaubensgrundsätze im Web-2.0-Geschäft. Der Comic-Cast leistet hingegen beides. Er geht durchs Auge direkt an die Emotion und dabei lässt sich mit einer geschickten Dialogführung auch noch Wissen vermitteln.
Anleihen gemacht haben die Entwickler des Cartoon-Casts beim guten alten Zeichentrickfilm. Und der galt ja ohnehin als „bebildertes Radio“. So ist die animierte Zeichnung auch beim Cartoon-Cast die Basis des Geschäfts. Von Fotos abgenommene Zeichnungen, eigens gefertigte Karikaturen oder cartoonisierte Fotografien eignen sich gleichermaßen als Ausgangsmaterial. Die Entscheidung wird hier oft vom vorhandenen Budget vorgegeben.
Dieses Ausgangsmaterial wird dann von Animationsprogrammen in Szene gesetzt. Voraussetzung dafür ist eine fertig produzierte Tonspur im unkomprimierten WAV-Format oder im komprimierten MP3-Format.
Über die Köpfe der Handelnden im Cartoon-Talk wird ein regelrechtes Netz mit Animationspunkten gelegt. Außerdem werden Mund- und Augenpartien eigens gekennzeichnet. Die meisten Animationsprogramme übernehmen dann die die lippensynchrone Darstellung des gesprochenen Textes selbstständig, ohne dass der Mediengestalter hier noch groß eingreifen müsste.
Doch das allein reicht in aller Regel noch nicht aus. Denn die Sprachanimation muss natürlich durch eine entsprechende Mimik unterstützt werden. Die lässt sich sehr individuell, allerdings dann auch ziemlich aufwändig mit einzelnen Animationsbefehlen erstellen. Dabei muss dann aber für jede hochgezogene Augenbraue ein gesonderter Animationsbefehl erteilt werden.
Einfacher geht das, wenn man sich der zumeist mitgelieferten Animationsbibliotheken bedient. Hier werden dann nah der Vorauswahl bestimmter Charaktere und Animationsmodi mimische Bewegungen über die gesamte Dauer des Casts verteilt. Der Erfolg des Comic-Casts ist vor allem von der Tonspur abhängig. Hier gilt: Die gut vorgetragene Erzählung macht’s. Verstärkend kommt dann die animierte Zeichnung hinzu. Comic Casts sind eben bebildertes Radio.
Und das funktioniert auch mit einem kleinen Budget ausgezeichnet. Denn häufig können zum Cartoonisieren bereits vorliegende Fotos verwendet werden. Dann fallen lediglich Produktionskosten für die Tonspur und der Aufwand für die Animation selbst an. Professionelle Dienstleister bieten das sogar schon zu Minutenpreise von 200 Euro an.
Die Animationssoftware selbst kostet zwischen 300 und 900 Euro, je nach Softwareprodukt. Eine recht günstiges Einstiegspaket bietet der Hersteller Reallusion mit Crazytalk inzwischen in der Version 7 für unter 300 Euro. Unentbehrlich sind ein Audio-Schnittprogramm für die Produktion der Tonspur (Audacity, kostenfrei, oder Audition, knapp 400 Euro) sowie entsprechende Bildverarbeitungssoftware, wie zum Beispiel Photoshop.
Super Ideen mal wieder bekommen – Danke!!!