Warum klingen Anfänger-Beiträge oft unpersönlich und hölzern?
Und wie macht man’s besser?
Tipps zum richtigen Sprechen und Texten.
„Boah. Das klingt, als wär das gar nicht ich!“ Maxi Konang war irgendwie unzufrieden. Dabei hatte sie grade ihr erstes Stück fürs Uniradio abgeliefert – einen Beitrag über die „Leobots“, eine Truppe von Roboterfreaks und Techniktüftlern.
Aber was ist da bloß mit ihrer Stimme? Und wieso klingt das alles so unnatürlich streng und hölzern? Eben gar nicht wie sie selber. Maxi war ratlos und hat um Tipps gebeten.
Eins vorneweg: Dass man sich selber für Micky Mouse hält beim ersten Beitrag ist normal. Denn auf Aufnahmen klingt die eigene Stimme quiekiger und heller als normalerweise. Aber nur für einen selber. Denn wir selbst hören unsere Stimme über den Schädelknochen. Der schwingt beim Sprechen mit und macht den Klang der eigenen Stimme für uns satter als sie ist. Die Aufnahme klingt dagegen so, wie andere uns hören. Also normal. Und mit der Zeit gewöhnt man sich an die eigene „Radiostimme“.
Dass Maxi sich in ihrem eigenen Beitrag nicht wieder erkennt, hat neben der Stimme aber wohl auch damit zu tun, dass sie so ganz anders spricht, also sie’s normalerweise tut und das muss nicht sein.
Problem No. 1: Fast alle Sätze sind „auf Punkt“ gelesen.
Das ist typisch für Anfänger. Sie lesen, wie man’s in der Schule gelernt hat: Vorne anfangen. Stimme anheben. Den Punkt kommen sehen. Mit der Stimme runtergehen. Fertig.
Nicht falsch soweit. Aber eben langweilig. Denn auf die Art kriegen alle Sätze dieselbe Melodie. Und beim Zuhören reiht sich ein Bogen an den anderen. Vollkommen spannungsfrei und so gar nicht natürlich!
Unterhalten wir uns dagegen mit Freunden auf der Straße sind uns Satzzeichen reichlich egal. Wir betonen viel mehr, was uns wichtig ist, gehen über Satzenden hinweg, wenn sich was inhaltlich anschließt, und binden zusammen was zusammengehört.
Grundsätzlich gilt:
Die Betonung folgt dem Inhalt, nicht den Satzzeichen des Textes.
Für den Anfang hilft ein Trick:
Man geht davon aus, dass es in jedem Satz EIN Wort gibt, das die entscheidende (also für den Hörer neue) Information trägt. Das sollte dann auch am stärksten betont werden.
Und zur Übung empfiehlt sich:
Einfach mal ausprobieren, was mit Betonung alles geht und einen Satz in allen möglichen Varianten sprechen. Denn jeder Satz lässt sich immer wieder neu betonen, je nachdem, was uns gerade wichtig ist. Dazu muss man a) die Stimme schulen und wissen, wie man unterschiedlich betonen kann, und b) wissen, was einem wichtig ist. Denn nur, wer weiß, was er sagen will, kann entscheiden, wie das am besten geht.
Wichtig:
Jede Gleichförmigkeit vermeiden. Also nicht nur keine Bögen machen, auch gleichförmigen „Sing-Sang“ vermeiden. Auch wenn man das bei vielen Korrespondenten in Radio und TV so hört. Am besten so reden, wie man’s auch im Alltag tut.
Problem No. 2: Vieles ist recht steif und behördlich formuliert.
Jedenfalls würde Maxi das so nie ihren Freunden erzählen. Kein Wunder also, dass sie sich selbst fremd vorkommt.
Mein Tipp deshalb:
Klarer, einfach, alltäglicher formulieren.
Übrigens nicht nur, damit Maxi sich selbst im Beitrag wieder erkennt, sondern auch, weil dieser „Behördensprech“ blutleer und emotionslos klingt. Er ist nämlich meist sehr abstrakt, sagt nicht konkret, worum es geht, und lässt keine Bilder im Kopf entstehen. Doch genau das macht gute Radiotexte aus. Und eigentlich ist das auch gar nicht so schwer.
Hier ein paar Vorschläge, wie Maxi einige ihrer Behördensätze umformulieren könnte:
Ein vierzig Zentimeter hohes Konstrukt aus dem Metallbaukasten(…)Das verkabelte Objekt ist ein Roboter der Leobots.
BESSER: Vierzig Zentimeter ist das Ding hoch. Sieht aus wie selbst gebastelt – aus dem Metalbaukasten – ist aber ein Roboter. Gemacht von den Leobots….
Partizipialkonstruktionen wie „das verkabelte Objekt“ sind typisch für geschriebene Sprache. Kaum jemand spricht so. Auch lange Adjektivkonstruktionen wie „ein vierzig Zentimeter hohes…“ sind untypisch für die Alltagssprache.
Mitglieder sind neben Technik-Interessierten auch Studenten verschiedener Fachrichtungen.
BESSER: Bei den Leobots machen viele mit: Informatiker, Physiker, Mathematiker. Sogar Germanisten sind dabei. Und ein Schreiner, der schon immer gern mit Kabeln und Schrauben hantiert. (Achtung: Fakten für dieses Beispiel erfunden!)
Beispiele sind lebendiger als abstrakte Überbegriffe. Denn was sind „Technik-Interesssierte“ und „verschiedende Fachrichtungen“? Konkrete Beispiele erklären das viel anschaulicher. Aber klar: Sie brauchen auch mehr Platz.
Die Leobots widmen sich dem Bau von Robotern.
BESSER: Die Leobots bauen Roboter.
Das „widmen sich“ klingt altmodisch und sperrig. Warum nicht einfach „bauen“? Im Radio sollte man einfache Dinge einfach sagen. Sollte mit dem „widmen sich“ gemeint sein, dass die Tüftler das mit viel Liebe und Hingabe machen, sollte man das lieber wieder in einem zusätzlichen Satz erklären: „Oft tüfteln sie wochenlang, bis ein neuer Roboter fertig ist.“
Dazu werden Befehle in einen Laptop eingegeben. Und viele Befehle aneinander gereiht, ergeben einen Handlungsablauf.
BESSER: Alles was die Roboter tun sollen, müssen ihnen die Programmierer Schritt für Schritt beibringen. Befehl für Befehl, Zeile für Zeile tippen sie dafür in ihre Laptops. Erst dann tut der Roboter, was er soll – zum Beispiel CDs einsammeln….
Texte werden verständlicher, wenn man konkret beschreibt, was wer wie macht. Das lässt beim Zuhörer Bilder entstehen und zieht ihn schneller in eine Situation hinein, die er dann beim Hören miterleben kann.
Am ehesten klappt das, wenn man sich auch als Radioreporterin fragt: Was würde ein Fotograf oder Kameramann zeigen, um das rüberzubringen, was ich grade erklären will? Eben: Befehle tippende Programmierer und Buchstaben, Ziffern, Zeilen auf dem Bildschirm. Dann einen Roboter, der was macht. Genau das gehört dann in den Text.
Das Team, dessen Roboter am meisten CDs eingesammelt hat, geht als Sieger hervor.
BESSER: Der Roboter, der der meisten CDs einsammelt, gewinnt.
Auch wenn die ursprünlighe Formulierung präziser ist (es gewinnt ja wirklich das Team, nicht der Roboter), fürs Radio gilt: Mut zur Umgangssprache. Sie ist in ihrer Kürze oft prägnanter und eingängiger. Und jeder wird in Gedanken automatisch ergänzen, dass nicht der Roboter gewinnt, sondern das Team, das ihn gemacht hat.
Und bitte: Keine umständlichen Floskeln. Das „geht als Sieger hervor“ klingt einfach altbacken. Und erneut gilt: So würde das kaum jemand seinen Freunden erzählen.
Vergangenen Sonntag konnten Besucher die selbst kreierten Roboter aktiv ausprobieren. Dazu trafen sich interessierte Leipziger Bürger im Wiener Bau,…
BESSER: Vergangenen Sonntag war dann ganz Leipzig eingeladen. Wer wollte, konnte selber einen der Roboter steuern oder ihm Befehle erteilen (oder was meint „ausprobieren“?). Ein Schüler ließ zum Beispiel….und nebenan versuchte eine Familie….
Ein Reporter sollte immer möglichst konkret sagen, worum es geht und sich nicht hinter scheinbar beschreibenden Adjektiven verstecken. Also: Was genau heißt „aktiv ausprobieren“ und wer sind „interessierte Leipziger Bürger“? Dass keine „uninteressierten“ dabei waren, ist eh klar. Und „inaktiv ausprobieren“ dürfte auch schwierig sein. Wie so oft sind die Adjektive also überflüssig und machen den Text nur schwerfällig.
…der initiierte das Treffen und widmet sich Themen wie „Männerarbeit“. Außerdem fördert er Gleichberechtigung in vielen Lebensbereichen.
Aus Schlagworten wird der Hörer selten schlau. Sie erklären nicht wirklich, worum es geht. Wenn möglich sollte man darauf verzichten.
Und wie mans BESSER machen könnte könnt Ihr in diesem Fall ja mal selber ausprobieren.
Aber nicht nur Männer sind Teil der Robotik-Freaks (…) Die Kosten für einen Roboter belaufen sich auf circa 5.000 Euro. Dabei handelt es sich nur um reine Materialkosten. Finanzielle Untersützung erhalten die Leobots von Sponsoren.
BESSER: Auch Frauen machen bei den Leobots mit…Allein das Material für einen Roboter kostet ungefähr 5.000 Euro. Das Geld dafür bekommen die Leobots von Sponsoren.
Vorsicht vor „Behördensprech“. Immer müssen sich da „Kosten belaufen auf“ und immer „handelt es sich um“ „finanzielle Unterstützung“, wenn jemand Geld bekommt. Das sind sehr umständliche Formulierungen, die sich irgendwie eingeschlichen haben, weil sie scheinbar wichtig und bedeutungsvoll klingen. In Wahrheit machen sie Texte im Radio schwerfällig und behäbig. Also. Besser vermeiden! Erst recht, wenn ich für einen Sender arbeite, bei dem junge Leute zuhören sollen. Wie man’s macht, erkläre ich hier.
Noch steckt die Robotik in den Kinderschuhen.
BESSER: Noch ist die Robotik eine ziemlich junge Technik. Oder: Noch haben die Forscher nicht viel Erfahrung mit der Robotik.
Ein Metapher wie „steckt in den Kinderschuhen“ ist einfach furchtbar ausgeleiert. Man hört sie zu oft. Genauso wie „tiefer in die Tasche greifen“, „grünes Licht geben“, „in trockenen Tüchern sein“ und andere. Radiomacher sollten solche Floskeln vermeiden. Sie wirken staubig und alt, sind also ungeeignet speziell für eine junge Reporterin, die zu einem jungen Publikum sprechen will.
Mehr Tipps, wie man einfach, klar und verständlich textet, findet Ihr hier und natürlich in allen meinen Blogeinträgen zum Stichwort „Sprache„.
Fotos von Thomas Szynkiewicz: "Conversation" und "Der Patrick": "Brilliant" Some rights reserved. - Quelle: piqs.de